Das Wichtigste zuerst: Was bedeuten die steigenden Abregelungen für Sie?
Stellen Sie sich vor: Es ist ein sonniger Sommertag, Ihre PV-Anlage läuft auf Hochtouren – doch plötzlich wird sie vom Netzbetreiber gedrosselt. Der Grund? Zu viel Solarstrom im Netz. Genau das passiert aktuell immer häufiger. Die Bundesnetzagentur meldet für das erste Halbjahr 2024 einen Anstieg der Solarstrom-Abregelungen um 93 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Was bedeutet das konkret für Sie als Eigenheimbesitzer? Wir zeigen Ihnen, wann Ihre Anlage betroffen sein könnte – und wie Sie sich optimal vorbereiten.
Redispatch einfach erklärt: Wenn das Stromnetz „Stopp“ sagt
Redispatch klingt kompliziert – ist es aber nicht. Vereinfacht gesagt: Wenn zu viel Strom durchs Netz fließen will, müssen einzelne Erzeuger temporär runtergefahren werden. Bei PV-Anlagen heißt das: Ihr Wechselrichter (WR) drosselt die Einspeisung oder schaltet sie komplett ab.
Die gute Nachricht vorweg: Trotz steigender Abregelungen erreichen noch immer 97 Prozent des produzierten Solarstroms die Verbraucher. Die weniger gute: Über die Hälfte aller Redispatch-Maßnahmen bei erneuerbaren Energien betreffen mittlerweile Photovoltaik-Anlagen – Tendenz steigend.
Der Unterschied zum Einspeisemanagement: Beim Redispatch geht es um regionale Netzengpässe, beim Einspeisemanagement um lokale Überlastungen. Für Sie als Anlagenbetreiber macht das keinen Unterschied – abgeregelt ist abgeregelt.
Bin ich betroffen? Diese Faktoren entscheiden
Nicht jede PV-Anlage wird gleich häufig abgeregelt. Die Wahrscheinlichkeit hängt von mehreren Faktoren ab:
Besonders häufig betroffen sind:
- Anlagen ab 10 kWp Leistung
- PV-Systeme im ländlichen Raum, besonders in der Nähe großer Solarparks
- Dachanlagen ohne Batteriespeicher
- Standorte in Süddeutschland, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern
Seltener betroffen sind:
- Kleine Dachanlagen unter 7 kWp in städtischen Gebieten
- Anlagen mit Speicher und hohem Eigenverbrauch
- Regionen mit gut ausgebautem Stromnetz
Mein Tipp: Fragen Sie Ihren Solateur gezielt nach der Netzsituation in Ihrer Region. Lokale Fachbetriebe kennen die Engpässe und können Ihre individuelle Situation einschätzen.
Was kostet mich eine Abregelung konkret?
Die meisten Abregelungen finden zwischen April und Juli statt – bei klassischem Hochdruckwetter mit viel Sonne und wenig Wind. Für einen durchschnittlichen Haushalt mit 10 kWp-Anlage bedeutet das:
| Anlagentyp | Betroffenheit | Geschätzter Verlust/Jahr |
|---|---|---|
| 5 kWp ohne Speicher | Gering | 10-30 € |
| 10 kWp ohne Speicher | Mittel | 50-150 € |
| 15 kWp ohne Speicher | Hoch | 100-300 € |
| 10 kWp mit Speicher | Gering | 20-60 € |
Wichtig zu wissen: Bei größeren Anlagen in stark betroffenen Regionen können die Verluste auch mal 500 Euro übersteigen. Das klingt dramatisch – relativiert sich aber über die 20-jährige Laufzeit der Einspeisevergütung.
Ab 2026 wird’s ernst: Diese neuen Regeln kommen
Die Bundesnetzagentur macht Ernst: Ab 1. Januar 2026 müssen alle PV-Anlagen über 7 kWp fernsteuerbar sein. Das bedeutet: Ihr WR braucht eine Schnittstelle zur zentralen Steuerung durch den Netzbetreiber.
Was heißt das für Sie?
- Neuanlagen: Achten Sie schon jetzt auf einen steuerbaren Wechselrichter mit Kommunikationsschnittstelle
- Bestandsanlagen: Nachrüstpflicht nur bei größeren Umbauten oder WR-Tausch
- Smart Meter: Werden schrittweise zur Pflicht – sie sind die Basis für die Fernsteuerung
Jetzt handeln: 3 Schritte zum optimalen Schutz
1. Batteriespeicher prüfen – Ihr bester Schutz
Ein Speicher erhöht Ihren Eigenverbrauch auf 60-80 Prozent. Das reduziert nicht nur das Abregelungsrisiko, sondern macht Sie auch unabhängiger vom Strompreis. Die Investition von 6.000-10.000 Euro amortisiert sich meist nach 10-12 Jahren.
2. Technik-Check durchführen
- Ist Ihr WR steuerungsfähig? (Modelle ab 2020 meist ja)
- Haben Sie einen Smart Meter? (Wird sowieso Pflicht)
- Wie hoch ist Ihre Eigenverbrauchsquote? (Ziel: über 40%)
3. Verträge anpassen
Klären Sie mit Ihrem Solateur:
- Wie werden Abregelungen in Wartungsverträgen berücksichtigt?
- Gibt es Entschädigungsregelungen?
- Wer kümmert sich um die technische Nachrüstung?
Die Chance im Problem: So profitieren flexible Anlagen
Redispatch ist nicht nur ein Risiko – es entstehen neue Verdienst-Möglichkeiten für flexible Anlagen:
Netzdienliches Verhalten wird belohnt: Wer seinen Strom dann einspeist, wenn er gebraucht wird, kann künftig Zusatzerlöse erzielen. Erste Pilotprojekte laufen bereits.
Flexibilitätsmärkte öffnen sich: Mit steuerbarem WR und Speicher können Sie an neuen Marktmodellen teilnehmen – ähnlich wie heute schon E-Auto-Besitzer mit bidirektionalem Laden.
Lastverschiebung zahlt sich aus: Wärmepumpe, E-Auto und andere steuerbare Verbraucher optimal einsetzen – das reduziert nicht nur Abregelungen, sondern auch Ihre Stromkosten.
Fazit: Gut vorbereitet ist halb gewonnen
Die steigenden Abregelungen sind eine Begleiterscheinung der erfolgreichen Energiewende. Das Netz wächst mit seinen Aufgaben – aber das braucht Zeit. Wer jetzt clever plant, macht seine PV-Anlage zukunftssicher:
- Speicher einplanen oder nachrüsten
- Auf moderne, steuerbare Technik setzen
- Eigenverbrauch maximieren
- Regionale Netzsituation im Blick behalten
Die gute Nachricht zum Schluss: Der Netzausbau läuft auf Hochtouren. Experten rechnen damit, dass sich die Situation ab 2028 deutlich entspannt. Bis dahin gilt: Wer flexibel bleibt, fährt am besten.
